Die EU bereitet sich auf die totale Kontrolle des digitalen Raums vor
Quelle: Norbert Häring, Geld & Mehr, 08. April 2024
Dass die Bundesregierung private Organisationen finanziell unterstützt, die die sozialen Medien ausforschen und sogenannte „Desinformation“ und „Hassrede“ an die Strafverfolger oder an die Zensoren der Plattformen melden, wird bereits kritisch diskutiert. Dasselbe geschieht auch auf EU-Ebene. Dort kommt sogar hinzu, dass die EU-Kommission für die Faktenchecker und andere Blockwarte digitale Werkzeuge zur umfassenden Überwachung der sozialen Medien entwickeln lässt.
Wer auf die Netzseite Hatedemics.eu stößt, der hat die Spitze eines gewaltigen Eisbergs an systematischer Beeinflussung und Zensur des digitalen Raums durch die Regierenden entdeckt (ich stieß über einen Beitrag bei Apollo News darauf).
Hatedemics ist ein von der EU mit einer Million Euro finanziertes Projekt zur Entwicklung von Software („Künstlicher Intelligenz“) zur Ausforschung des digitalen Raums nach oppositionellen Ansichten und Umtrieben. Außerdem soll die künstliche Intelligenz Hilfe bei der Formulierung und Verbreitung von Gegennarrativen leisten.
Unter Führung des italienischen Forschungszentrums für künstliche Intelligenz Fundazione Bruno Kessler hat ein Konsortium aus 13 Partnern den Zuschlag bekommen, die Software zu entwickeln. Dazu gehört die global operierende estnische Sicherheitsfirma Saher (Wachmann), mit Ableger in Großbritannien, die unter anderem in der Terrorabwehr aktiv ist. Dazu gehören auch die regierungsnahen Faktenchecker FACTA und Pagella Politica, die ihr Geld ganz überwiegend über EU-Projekte verdienen und von sozialen Medienplattformen. Letztere hat die EU mit einem Verhaltenskodex gegen Desinformation genötigt, solche privaten Faktencheck-Unternehmen als Inhaltszensoren anzuheuern. Zum Konsortium gehören daneben noch weitere solche Faktenchecker aus anderen Ländern und Bürgerorganisationen aus dem Bereich Diversität und Gleichberechtigung. Aber auch öffentliche Institutionen gehören dazu.
Hatedemics ist Teil des mit 16 Mio. Euro ausgestatteten Programms „Bürgerinnen und Bürger, Gleichstellung, Rechte und Werte“ (CERV), mit dem die EU-Kommission politisch genehme sogenannte „Nichtregierungsorganisationen“ mit Regierungsgeld versorgt, um sie „zu sensibilisieren für den Aufbau von Kapazitäten und die Umsetzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union“.
Interessant wäre es zu wissen, an wen die anderen 15 Mio. der Programmreihe gehen. Falls sich jemand gut genug im EU-Förderdschungel auskennt, um das herauszufinden, bin ich für entsprechende Informationen dankbar.
Öffentlich-private Zensurpartnerschaft
In der deutschsprachigen Ausschreibung des CERV-Programms der EU heißt es:
„Die Bekämpfung von Hassrede und Hassverbrechen durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und Behörden und anderen Interessenträgern ist für den Schutz der Grundrechte (Recht auf freie Meinungsäußerung, Menschenwürde und Nichtdiskriminierung) und für die Sicherung gesunder und pluralistischer Demokratien entscheidend. (…) Die Projekte im Rahmen dieser Priorität zielen darauf ab, die Organisationen der Zivilgesellschaft in die Lage zu versetzen, Mechanismen der Zusammenarbeit mit den Behörden einzurichten, um die Meldung von Hassverbrechen und Hassrede zu unterstützen, die Unterstützung der Opfer von Hassrede und Hassverbrechen zu gewährleisten und die Strafverfolgung zu unterstützen, unter anderem durch Schulungen oder Methoden und Instrumente zur Datenerhebung. Die Projekte werden sich auch auf Maßnahmen zur Bekämpfung von Hassrede im Internet konzentrieren, einschließlich der Meldung von Inhalten an IT-Unternehmen, der Entwicklung von Gegenberichten und Sensibilisierungskampagnen sowie von Bildungsmaßnahmen zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderungen von Hassrede im Internet.“
Das mit seiner Bewerbung erfolgreiche Projekt Hatedemics will in diesem Sinne sogenannte zivilgesellschaftliche Organisationen und Regierungsstellen mit Künstlicher Intelligenz fit machen für den Kampf gegen „Hassrede“ im Netz. Das wird als Synonym gebraucht für Verschwörungstheorien, Hass, Hetze und Desinformation. Durch Bereitstellung von Werkzeugen künstlicher Intelligenz sollen die zivilgesellschaftlichen Organisationen in die Lage versetzt werden, Hassrede im Internet zu überwachen, zu entdecken und zu melden.
Außerdem soll die Software „dialogbasierte Gegenerzählungen“ erstellen und automatisch die Verhaltensänderungen messen, die durch den Einsatz der Gegenerzählungen erreicht werden.
Die Projektträger versprechen: „Die Kombination dieser Technologien wird gezieltere und rechtzeitige Online-Interventionen ermöglichen.“
Mentor und Vorreiter USA
Eine Million Euro reicht kaum, um ein KI-Programm der beschriebenen Art zu entwickeln. Aber das ist ziemlich sicher auch nicht nötig. Denn es gibt einen Vorreiter, der sicherlich nur zu gerne bereit ist, seine Vorarbeit einer zensurwilligen EU-Kommission zur Verfügung zu stellen, damit diese sie für die heimischen Gegebenheiten und Sprachen anpassen kann. Wie es kaum anders sein kann, kommt die Vorarbeit aus dem Land, in dem die großen digitalen Plattformen, um deren Zensur es geht, ihren Sitz haben.
Die National Science Foundation (NSF), die US-Behörde zur Förderung der Wissenschaft, hat ab 2021 mindestens 39 Mio. Dollar an verschiedene Universitätsteams und Unternehmen vergeben, damit diese Künstliche Intelligenz zur automatisierten Ausforschung und Zensur der Medien im digitalen Raum entwickeln. Das geht aus einem Zwischenbericht vom 5. Februar 2024 zur National Science Foundation (NSF) des Untersuchungsausschusses des US-Kongresses zu illegalen Zensuraktivitäten der Regierung hervor.
Aus E-Mails und Präsentationen, die der Ausschuss auswerten konnte, ist ersichtlich, dass sich die Beteiligten darüber im Klaren waren, dass es sich um ein Zensurprogramm handelte. Auch dass die NSF aktiv ihre Förderung der fragwürdigen Programme verbarg, geht aus dem Bericht hervor.
Die Macher von WiseDex, eines der geförderten KI-Programme, priesen dieses als „eine Möglichkeit für Entscheidungsträger der Plattformen, die schwierige Aufgabe des Zensierens auszulagern“.
Das NSF-geförderte Programm Co-Inisghts dürfte dem, was sich die EU-Kommission von Hatedemics verspricht, besonders nahe kommen. Es ist der Beschreibung zufolge in der Lage, Beiträge für das Fact-Checking herausfiltern und Aussagen von Beiträgen mit Faktencheck-Artikeln zu vergleichen. Außerdem soll es Kanäle für Hinweisgeber automatisiert betreiben und die Hinweise in Gegenaktion umsetzen. In einer Präsentation verspricht das Team, dass Co-Insights 750.000 Blog- und Medienartikel pro Tag auswerten und die Daten von allen großen Social-Media-Plattformen scannen kann.
Ähnlich ausgerichtet ist auch das Programm CourseCorrect, das „die Anstrengungen von Journalisten, Entwicklern und Bürgern zum Faktencheck delegitimierender Informationen unterstützt“.
Die Aufgabe des Hatedemics-Konsortiums dürfte also nur noch darin bestehen, aus einem oder mehreren dieser Zensur-Programme etwas Passendes für die vielsprachige EU zusammenzuschustern.
Fazit und Einordnung
Die EU unterstützt in großem Maßstab genehme „zivilgesellschaftliche“ Organisationen und öffentlich-private Partnerschaften mit Geld und technischer Hilfe, damit sie ihr helfen, nicht genehme Meinungen im Internet zu unterdrücken oder mit Gegenerzählungen zu kontern. Das ergänzt die vielfältigen EU-Initiativen, mit denen die digitalen Plattformen genötigt werden, nicht genehme Inhalte auszubremsen oder zu sperren. Die „gezielten Online-Interventionen“, die die Projektträger von Hatedemics möglich zu machen versprechen, können dank dem Digital Services Act (DSA) der EU bis ins offen Totalitäre gehen.
Das Gesetz ermöglicht es, nicht rechtswidrige Inhalte für „schädlich“ und damit für löschpflichtig zu erklären. Da den Plattformen sehr hohe Strafen angedroht werden, ist sichergestellt, dass die Zensurbereitschaft hoch ist und sie im Zweifel lieber löschen und sperren als Strafen zu riskieren.
Im „Krisenfall“ bekommen die möglichen „Online-Interventionen“, die Hatedemicsvorbereiten hilft, eine nochmals drastischere Qualität. Dann greift der „Krisenreaktionsmechanismus“ des DSA (Art. 36) und die EU-Kommission kann von den Digitalkonzernen sofort radikale Maßnahmen verlangen – wie Manipulation der Suchalgorithmen um alles Unliebsame unauffindbar zu machen, oder Demonetisierung aller unliebsamen Verlage und Publizisten. Welche weiteren Maßnahmen, neben diesen beispielhaft im Gesetz genannten, sich die EU-Kommission ausdenken will, und was sie zur Krise erklärt, liegt in ihrem Ermessen.
Im „Krisenfall“ kann die EU-Kommission also die Erkenntnisse und Fähigkeiten von Programmen wie Hatedemics nutzen, um auf dem Umweg über die digitalen Plattformen die totale Kontrolle über die im Netz verbreiteten Informationen und Meinungen zu übernehmen. Solange sie noch keine Krise ausgerufen hat, beschränkt sie sich auf die Manipulation und Zensur mit den subtileren Methoden der öffentlich-privaten Partnerschaft.
Es empfiehlt sich, verstärkt analoge Kontakte und Strukturen aufzubauen und sich nicht allzu sehr auf die rasch schwindenden Freiräume im digitalen Raum zu verlassen. Nur den digitalen Raum können Technokraten mit totalitären Ambitionen mithilfe von Algorithmen automatisiert und engmaschig überwachen.
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